Manifest für den Frieden in Tschetschenien

Dieses Manifest ist mit dem Ziel verfasst worden, dass die führenden Persönlichkeiten der G-8, die sich in St. Petersburg Mitte Juli 2006 treffen davon Kenntnis nehmen (pdf)

Angesichts der Tatsache, dass Russen und Tschetschenen während ihrer gemeinsamen Geschichte der letzten vier Jahrhunderte in einem anhaltenden Konflikt gestanden haben, der durch Kriege und Deportationen das Überleben des tschetschenischen Volkes gefährdet hat,

angesichts der Tatsache, dass seit den Abkommen von Moskau, Nasran und Chasviurt – gefolgt vom Friedensabkommen vom 12. Mai 1997 – zehn Jahre vergangen sind, in denen die wieder aufgenommenen Feindseligkeiten den Tod von vielleicht hundert Tausend Toten gefordert und eine noch grössere Zahl von Flüchtlingen gezwungen haben, die Republik zu verlassen, sowie die materiellen Grundlage der Gesellschaft zerstört und das Leben der verbleibenden Bevölkerung extrem hart gemacht haben,

angesichts der Tatsache, dass der anhaltende Konflikt zu zunehmend barbarischen Formen von Menschenrechtsverletzungen – Folter, Entführungen, gesetzeswidrigen Festnahmen und terroristischen Akten geführt und die moralischen Werte der Gesellschaft geschwächt oder zerstört hat; dabei sind die religiösen Traditionen durch den Einfluss von ausländischen Ideologien unterwandert worden und die Jugend hat die Perspektiven auf ein geordnetes Leben verloren,

angesichts der Tatsache, dass dieser Konflikt schwerwiegende Folgen für die ganze Region hat, weil er den ganzen Nordkaukasus durch verschärfte ethnische Konflikte destabilisiert und damit die Möglichkeit der Region, eine blühende Region zu werden gefährdet, in der alle verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen in Frieden zusammenleben können,

angesichts der Tatsache, dass Präsident Maskhadov selig, der in freien und fairen Wahlen, die von Moskau anerkannt wurden, gewählt worden war, Anfangs 2005 eine substantielle Friedensinitiative lanciert hat, mit der er bedingungslose Verhandlungen mit Moskau vorschlug und einen einseitigen Waffenstillstand für den Monat Februar verkündete – diese Initiative blieb aber ohne irgendeine Reaktion von Seiten Moskaus und Maskhadov wurde am 8. März vergangenen Jahres getötet,

verkünden wir heute, dass für eine friedliche Lösung des Konfliktes dringend gehandelt werden muss als einziger Ausweg, um der ganzen Region Stabilität und Fortschritt zu garantieren. Für diese Perspektive definieren wir unsere Ziele wie folgt: - die Garantie der Sicherheit für das Leben des tschetschenischen Volkes, der Respekt der Menschenrechte und der Gesetze, - die Errichtung von politischen Machtstrukturen auf der Grundlage von freien und fairen Wahlen, und - die Schaffung von Bedingungen für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung, um das Leben zu normalisieren und die Rückkehr der Flüchtlinge zu erlauben.

Um diese Ziele zu erreichen, bestehen unsere Mittel im Folgenden: - Unser Volk hat während all dieser Jahre durch den ersten und zweiten Krieg für die Verteidigung seiner Unabhängigkeit gekämpft, wir haben die Unabhängigkeit zwar immer als das grundsätzliche Mittel betrachtet, um das Ziel des Friedens für das tschetschenische Volk zu erreichen als Garantie für unsere Sicherheit. Aber, wenn auf der Grundlage des internationalen Rechts irgendeine andere Lösung für den Frieden mit den Russen gefunden werden kann, um die oben erwähnten Ziele zu erreichen, dann sind wir offen, darüber zu verhandeln. - Durch unsern Konflikt mit den Russen wurde sehr viel Gewalt in unsere Gesellschaft gebracht, deren Folgen eine schwere Belastung für den künftigen internen Frieden bedeuten. Deshalb müssen alle Anstrengungen für eine allgemeine Versöhnung in Tschetschenien gemacht werden. Dafür sind nicht nur Amnestiemassnahmen notwendig, sondern auch Mittel – wie Wahrheitskommissionen – die eine aktive Beteiligung der Familienmitglieder der Opfer erlauben. - Für den Wiederaufbau der Republik muss ausländische Hilfe mobilisiert werden.

Wir wissen, dass es keine Lösung für diesen Konflikt durch anhaltenden Krieg und anhaltende Gewalt geben kann. Deshalb erklären wir, dass Verhandlungen mit Russland ohne Vorbedingungen beginnen müssen. – Wir verurteilen alle Formen der Gewalt gegen die zivile Bevölkerung, inklusive terroristische Akte.

Ahmed Zakayev, Aussenminister der Tschetschenischen Republik Itshkeria 5. Juli 2006